
Projekte. Schloss Neubeuern.
Bergwelt als Labor
19.05.2025- 23.05.2025
Schülerinnen und Schüler forschen mit der TU München zum Rückgang von Bestäubern
Neubeuern/Heuberg – Fangnetz statt Füller, Blütenanalyse statt Biobuch: Für fünf Tage wurde eine Hütte auf dem Heuberg zum Klassenzimmer. 13 Schülerinnen und Schüler aus den Internaten Schloss Neubeuern, Louisenlund und Birklehof forschten dort gemeinsam mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Technischen Universität München zu einem Thema, das zunehmend in den Fokus rückt – dem dramatischen Rückgang von Insekten.
Unter Leitung des Lehrstuhls für Plant-Insect Interactions von Prof. Dr. Sara Leonhardt standen drei Forschungstage auf dem Programm. Marielle Schleifer, Kiril Arsovski, Dr. Fabian Rüdenauer und Prof. Leonhardt begleiteten die Jugendlichen bei ihrer Arbeit – von der Feldstudie bis zur statistischen Auswertung.
Insektensterben beginnt auf der Wiese
Mit Kescher und Beobachtungsbögen ging es zunächst in die alpine Umgebung der Heuberghütte. Ziel war es, Blütenpflanzen zu dokumentieren und Bestäuber wie Wildbienen oder Schwebfliegen zu fangen – und deren Vorkommen mit der Vegetation in Beziehung zu setzen.
Schon hier zeigte sich ein zentrales Problem: Je einförmiger die Blühflächen, desto geringer die Vielfalt und Menge der Insekten. Besonders Wildbienen, von denen es in Deutschland über 500 Arten gibt, leiden unter dem Verlust naturnaher Lebensräume. Die Honigbiene, so wurde im Camp diskutiert, ist zwar prominent – aber nicht gefährdet. „Sie wird von Imkern gut versorgt. Die Wildbienen hingegen haben keinen Schutzverband“, so der Tenor.

Erkenntnisse im Labor
Im Anschluss wurden die Proben im Labor von Schloss Neubeuern untersucht. Mithilfe des Bradford-Assays analysierten die Schülerinnen und Schüler unter Anleitung von Dr. Rüdenauer den Proteingehalt des Pollens – entscheidend für die Ernährung vieler Bestäuberarten.
Statistisch ausgewertet wurden die Ergebnisse gemeinsam mit Prof. Leonhardt. Die Aussage war eindeutig: Für stabile Bestäuber-Populationen braucht es eine hohe Vielfalt an heimischen Blühpflanzen – in Gärten, auf Balkonen, in der Agrarlandschaft.
Nicht nur die Biene retten
Diese Erkenntnisse stützen auch aktuelle Studien: Laut der vielbeachteten Krefeld-Studie (2017) ist die Biomasse flugaktiver Insekten in Deutschland innerhalb von 27 Jahren um rund 75 Prozent gesunken – selbst in Naturschutzgebieten.
„Was hilft, ist Vielfalt“, betonte Prof. Leonhardt – und beantwortete offen die Frage einer Schülerin, ob die Beschäftigung mit solchen Befunden nicht frustriere: „Ja, an manchen Tagen. Aber ich habe die Möglichkeit, etwas zu verändern – indem ich mit jungen Menschen arbeite, die vielleicht morgen schon selbst Verantwortung übernehmen.“
Mehr als Biologieunterricht
Neben der Wissenschaft blieb auch Zeit für persönliche Entwicklung: Wandern, Klettern, gemeinsame Abende am Lagerfeuer stärkten das Miteinander. Und vor allem: Die Beschäftigung mit einer oft übersehenen Tiergruppe veränderte den Blick. Wo anfangs Ekel oder Gleichgültigkeit herrschten, wuchsen Interesse und Problembewusstsein.
So wurde das Camp nicht nur zu einem Beispiel gelungener Nachwuchsförderung im MINT-Bereich, sondern auch zu einer Erfahrung, die Perspektiven verschiebt – und Insekten eine Stimme gibt, die sonst oft überhört wird.
Magdalena Schwaiger, Lehrerin Schloss Neubeuern
